Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Pastoraler Raum Gemünden

Stadtansicht Lohr

Pastoraler Raum Lohr

Stadtansicht Karlstadt

Pastoraler Raum Karlstadt

Pastoraler Raum Marktheidenfeld

Wort zum Wochenende

Muss man denn noch darüber sprechen?

*(Ich schreibe als Betroffener folgenden Text über Queerfeindlichkeit. Dieser ist Platzhalter für sämtliche Arten der Diskriminierung: Sexismus, Rassismus, Ableismus, Bodyshaming und andere Formen. Dennoch ist mir bewusst, dass ich für die Gruppen, denen ich nicht angehöre, kein Sprachrohr sein kann)


Wenn ich auf Plattformen der sozialen Medien Info-Postings zum Thema Queerfeindlichkeit (queer = Sammelbegriff für alle Menschen abseits der Heteronormativität) lese, stoße ich in den Kommentaren gleichzeitig auch auf Unverständnis und Empörung. Sätze wie „Für mich sind alle Menschen gleich, damit hab ich kein Problem!" und „Die Generation ist aber auch so sensibel. Da darf man ja gar nichts mehr sagen!" sind Standard. Die Frage nach der Aktualität des Themas wird laut und suggestiv in Frage gestellt. Doch eines kann ich schon jetzt vorweg nehmen: Ja, es muss noch darüber gesprochen werden und - Überraschung - es wird auch noch einen kleinen Moment dauern, bis queere Menschen gleichberechtigt und Teil unserer Normalität sind. Solche Kommentare zeigen eigentlich nur eines: dass - egal ob bewusst oder unbewusst – sich die kommentierende Person mit der Thematik nicht auseinandergesetzt hat. Indem Nicht-Betroffene derartige Äußerungen treffen, bagatellisieren sie nicht nur die (strukturellen) Diskriminierungserfahrungen Betroffener, nein, sie weisen die Schuld einer Diskriminierungserfahrung auch von sich und klammern sich aus der Problematik aus. Aljosha Muttardi, LGBTQIA+ Aktivist, sagte einmal „Wir sind alle Teil des Problems - Wir sind aber auch alle Teil der Lösung". Und genau hier müssen wir ansetzen, wenn wir solidarisch handeln möchten.

Ich schlage vor:
Drehen wir es doch einfach um und fragen uns, wie wir Verbündete für marginalisierte Gruppen sein können.
Zunächst sollten wir bei uns und den eigenen Privilegien beginnen: Hinterfragen und auseinandersetzen, um zu verstehen, womit marginalisierte Gruppen Tag für Tag zu kämpfen haben. Denn je mehr der Mensch von der weißen, männlichen, Cis-Heteronormativität (*Cisgender= Geschlechtsidentität entspricht demjenigen Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde) abweicht, desto mehr
Diskriminierung erfährt der Mensch. Im Umkehrschluss sitzt an der Spitze der „Privilegien-Pyramide" der weiße, Cis-Hetero Mann, der die meisten Privilegien in unserem patriarchalen System genießt. Was aber gar nicht meint, dass weiße, Cis-Hetero Männer ein leichtes Leben haben - auf keinen Fall. Aber, und da liegt der Unterschied, ihnen und weißen, hetero Cis-Frauen sind Diskriminierungserfahrungen die Hautfarbe und sexuellen Identität bzw. Orientierung betreffend völlig fremd.
Die Debatte erscheint Nicht-Betroffenen besonders anstrengend, ermüdend und nichtig, weil sie sich nie damit auseinandersetzen mussten (—> „white privilege"). Wir alle tragen internalisierte, strukturelle, diskriminierende Denkmuster in uns. Wir sind aber auch selbst dafür verantwortlich, diese zu hinterfragen und aufzubrechen.

Ein weiterer Punkt: Zuhören.
Wenn marginalisierte Gruppen von Diskriminierungserfahrungen im Alltag sprechen oder sich durch das Gegenüber diskriminiert fühlen, sollten Nicht-Betroffene erst einmal zuhören. Die
internalisierten und anerzogenen Denkmuster führen dazu, dass Mensch sich schnell angegriffen fühlt und eine Verteidigungshaltung einnimmt. Das ist ganz logisch und passiert schnell. Deswegen: Wahrnehmen, wo Mensch selbst gerade diskriminierende Sprache verwendet hat, Ego zurückstellen und entschuldigen, wo eine Verletzung stattgefunden hat (und hier ist gänzlich egal, wie die Intention war) und weiterhin offen und lernbereit sein. Alles andere wäre ein Absprechen der erfahrenen Diskriminierung (—> „Victim Blaming") und reproduziert nur neue Diskriminierung. Minderheiten müssen sich nicht für ihre Gefühle rechtfertigen. Nicht-Betroffene müssen aufhören, den Stellenwert der Diskriminierungserfahrungen von Betroffenen festlegen zu wollen.
Außerdem müssen wir uns informieren - und zwar eigenständig. Im Jahr 2022 haben wir Zugriff auf sämtliche Info-Medien aller Art. Marginalisierte Gruppen sind keine Auskunft-Geber*innen für diejenigen, die solche Erfahrungen nicht machen müssen. Warum? Weil es alte Wunden aufreißt. Betroffene sind IMMER im Erklär-Modus, nicht weil sie es wollen, sondern weil sie müssen. Nicht-Betroffene können sich entscheiden, sich damit auseinanderzusetzen, Betroffene nicht! An manchen Tagen fehlt einfach die Kraft, laut zu werden und sich zu positionieren. Deshalb
brauchen wir Verbündete (—>„Allies")! 

Abschließend noch ein Schwenk zum Gendern: Wer gendert, verwendet eine inklusive und nicht-diskriminierende Sprache. Warum ist das so wichtig? Weil es eben nicht nur das binäre Geschlechtersystem Mann/Frau meint, sondern alle Geschlechter einbezieht, also auch die Menschen, die sich im nicht-binären Spektrum sehen. Hier sei erwähnt, dass es etliche wissenschaftliche Belege und Studien gibt, die beweisen, dass das binäre Spektrum eine vereinfachte, nicht korrekte Darstellung unserer Gesellschaft ist. Fakt ist doch: Die deutsche Sprache war und ist schon immer im Wandel. Veränderung ist wichtig und richtig. Nichts ist perfekt und alles ist ein Prozess. Das gilt sowohl für die Gender-Debatte als auch für den individuellen Umgang damit. Keine*r erwartet Perfektion. Ich wünsche mir lediglich die Auseinandersetzung und weniger Ignoranz.

Zum Schluss: Diskriminierungen aller Art werden fatalerweise - gerade im Internet -oft als Meinungen abgetan. Diskriminierung ist keine Meinung und die Bitte, etwas zu unterlassen, hat auch nichts mit einer Einschränkung der Meinungsfreiheit zu tun.
Muss man immer noch darüber sprechen? Ja, man muss. Jeden Tag!
b das noch lange so sein wird? Das liegt ganz bei uns! Nur Sichtbarkeit schafft Normalität und Normalität schafft Gleichberechtigung.
Wir tragen alle dazu bei!

Maximilian Gehrlinger
Schauspieler, Würzburg