30 Jahre ist es nun her, dass der Buß- und Bettag in Deutschland als gesetzlicher Feiertag abgeschafft wurde (außer in Sachsen). Nach wie vor ist er für die evangelische Kirche ein Feiertag, an dem in allen Gemeinden Gottesdienste stattfinden und an dem Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen der evangelischen Kirche frei haben. Seit Ende des 19. Jahrhunderts wurde er am Mittwoch vor dem Ewigkeitssonntag begangen, und schon früher wurden von den Kirchen in Notzeiten Buß- und Bettage angesetzt.
Nun, ganz gleich, wie dieser Mittwoch vom Gesetzgeber hinsichtlich der Arbeits- oder Ruhepflicht ausgestattet wird, und auch ganz gleich, wie stark die Kirchen öffentlich seine Beachtung einfordern – der Sache nach brauchen wir ihn alle. Oder sind Ihnen keine Nöte bekannt, die das Beten zu Gott nahelegen würden? Sehen Sie keinen Anlass, über Ihr Leben nachzudenken und in einigen Bereichen ein Umdenken oder ein Umkehren zu erwägen? Denn „Umkehr“ ist die Bedeutung des alten Wortes Buße. Der griechische Begriff setzt sogar beim Denken und bei der Haltung an: es geht um eine Änderung der Gesinnung.
Das ist eine notwendige und bedeutsame Angelegenheit. Dass wir die Möglichkeit haben, eingeschlagene Wege als Sackgassen, als Holzwege, als irreführend zu erkennen, zeichnet uns Menschen aus. Es ist uns gegeben, uns zu korrigieren und vielleicht sogar aus Fehlern zu lernen. Allerdings sollten wir uns auch gegenseitig den Raum gegeben, sich korrigieren zu dürfen, ohne das Gesicht zu verlieren. Gott tut das jedenfalls. In der Bibel heißt es vielfach ausdrücklich, dass Gott sich riesig freut über einen Menschen, der seinen Kurs zum Guten ändert. Wie weit ist es in unserer Gesellschaft her mit der Fehlerfreundlichkeit und der Akzeptanz von Menschen, die Fehler zugeben und sich korrigieren?
Oder sind es mehr noch unsere eigenen Ansprüche und falschen, ungesunden Vorstellungen von Leistung, von Ansehen, von Geltung, von Ehre und was weiß ich? Was meinen wir zu verlieren, wenn wir einsehen, dass wir auf einem Abweg sind und unser Verhalten ändern sollten? Was geht uns verloren, wenn wir uneinsichtig weitermachen wie bisher und Fehler vertuschen, kleinreden oder beschönigen? Verlieren wir dann nicht auf Dauer das Gesicht vor uns selbst? „Es gehört zur Würde des Menschen, vor sich selbst die Augen nicht zu verschließen. Scham oder Reue sind Begriffe der Größe und Schönheit des Menschen. Es ist mir erlaubt, ein Verwundeter zu sein. Es ist mir gar erlaubt, Fragment zu sein.“ So sagte der Theologe Fulbert Steffensky. In der Bibel ist das Thema „Umkehr“ ein Hauptthema. Es ist herzergreifend zu sehen, mit welchem Einsatz Gott nach den biblischen Geschichten gegen die Sturheit seiner Menschen vorgeht und gegen Abneigung, sich Fehler aufzeigen und korrigieren zu lassen.
„Ich – einfach unverbesserlich“ heißt ein erfolgreicher, lustiger Animationsfilm; im letzten Jahr kam bereits der 4. Teil in die Kinos. Der englische Titel heißt übrigens Despicable Me, also „Ich Verabscheuungswürdiger“. In der Tat, der Superschurke Gru ist nicht unverbesserlich, sondern lernt viel hinzu. Und es ist anrührend und sympathisch, wie er sich korrigiert, wie er sich schämt und wie er sich (ver)bessert! Ich meine, da können wir uns eine Scheibe abschneiden.
Till Roth
Evangelischer Dekan in Lohr a.Main

