Hinweis

Ihre Browserversion wird leider nicht mehr unterstüzt. Dies kann dazu führen, dass Webseiten nicht mehr fehlerfrei dargestellt werden und stellt ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar. Wir empfehlen Ihnen, Ihren Browser zu aktualisieren oder einen der folgenden Browser zu verwenden:

Pastoraler Raum Gemünden

Stadtansicht Lohr

Pastoraler Raum Lohr

Stadtansicht Karlstadt

Pastoraler Raum Karlstadt

Pastoraler Raum Marktheidenfeld

Wort zum Wochenende

Das Blau der Kornblume

Das Blau der Kornblume

Vielleicht liegen die größten und schwersten Steine ja nicht auf, sondern vor den Herzen der Menschen. So vieles hat sich abgelagert in diesen Steinen. Angst, Enttäuschung, Bitterkeit. Die Seele ist blind geworden. Gefangen im Dunkel. Erstarrt.
Und dennoch…
Schläft ein Lied in allen Dingen
die da träumen fort und fort,
und die Welt hebt an zu singen,
triffst du nur das Zauberwort.

(Eichendorff)


Über viele Jahre hinweg habe ich Geschichten gesammelt, schöne und schreckliche. Geschichten von Menschen, vom Leben und vom Sterben – einige habe ich aufgeschrieben. Aufbewahrt.
Nach vielen Wochen im Krankenhaus kommt ein Mann nach Hause. Er atmet auf. Daheim. Er weiß vermutlich, dass er sterben muss. Aber die verbliebenen Tage will er sorgfältig pflücken. Die einsamen Nächte im Krankenhaus scheinen etwas bewegt zu haben. Er ist verändert. Seine Frau und die Kinder fahren mit ihm hinaus – ins Frankenland. Schieben ihn im Rollstuhl an die blühenden Wiesen und Felder heran:

„Er konnte sich gar nicht mehr beruhigen über das Blau der Kornblumen. Mein Gott, wann hatte sich mein Mann jemals an Blumen erfreut. Es war an diesen Sommertagen eine so große Fröhlichkeit und Dankbarkeit in ihm, wie seit Jahren nicht“.

Keine bitteren Nachsätze mehr, an deren hoffnungslose Kälte sich die Familie schon gewöhnt hatte. Man konnte meinen, ein kleines lebensfrohes Kind sei auf einmal wachgeworden in ihm, ein Kind, das mit großen, staunenden Augen die Welt entdeckt. Und das besondere Blau der Kornblumen. So erzählt seine Frau.  

Wussten Sie, dass für Aristoteles, den großen griechischen Philosophen, im Staunen der Anfang der Weisheit lag? „Kommt und seht“, sagte Jesus den ersten Jüngern. Auch diese Menschen  konnten wohl nur staunen oder gar  erschrecken angesichts der „großen Taten Gottes“, wie es in der Bibel heißt. Sie haben zunächst nicht begriffen, was geschieht. Aber sie haben es wahrgenommen und wahr sein lassen. Sich den Möglichkeiten Gottes geöffnet. Und ER setzt ein Zeichen und holt den aus der Dunkelheit des Grabes, der ihm vertraute. „Sie fanden aber den Stein weggewälzt von dem Grab“, berichtet der Evangelist Lukas.

Es mag sein, dass Verletzungen und Enttäuschungen des Lebens aus der Seele eine Grabhöhle gemacht haben. Doch wenn der Stein der Resignation weggenommen ist, kommt eine Schatzkammer zum Vorschein, wo so vieles träumend schläft: die großen Lebenskräfte, das Staunen, die Freude, die Dankbarkeit, Glaube, Hoffnung und Liebe. Sie warten auf den Gott, der lebendig macht. Auf das Licht des Ostermorgens und den Triumph des Lebens und seiner Lieder. Manchmal braucht es nicht einmal das Zauberwort und es genügt ein kleines Bild aus der wundersamen Schöpfung. Eine einfache Kornblume.
 

Michael Nachtrab
Pfarrer in Partenstein