Der Krieg ist aus! Diese Schlagzeile druckten die Zeitungen am 8. Mai 1945 auf der Titelseite, nachdem zwei Tage zuvor die bedingungslose Kapitulation der deutschen Wehrmacht unterzeichnet worden war. Dass der grausame Krieg endet, war so lang schon ersehnt und erfleht worden. Unendlich viel Leid brachte er über die ganze Welt. Die Spuren der Zerstörung sind bis in unsere Tage hinein noch zu sehen. Das Nie-wieder hat sich besonders uns Babyboomern tief eingeprägt. Es gab so viele Augenzeugen, die uns ihre schrecklichen Erlebnisse erzählten oder andere, die ihre Traumata in sich einschlossen und deren seelische Wunden ein Leben lang nicht heilten.
Seit meiner Jugend berührt mich das Gebet der Vereinten Nationen sehr. Davon wird oft nur ein Teil zitiert (siehe kath. Gotteslob, S. 87). Im vollständigen Text von Franklin D. Roosevelt aus dem Jahr 1942 lese ich die Worte: „Wir alle sind Kinder der Erde – gewähre uns dies einfache Wissen. Wenn unsere Brüder unterdrückt werden, dann werden wir unterdrückt. Wenn sie hungern, hungern wir. Wenn ihnen die Freiheit genommen wird, dann ist unsere Freiheit nicht sicher.“
Die Nachrichten und Bilder aus der Ukraine fordern uns in vielfältiger Weise heraus, eine Haltung dazu zu finden. Sie treffen uns zutiefst emotional, wecken eine große Solidarität und Hilfsbereitschaft und doch laufen wir Gefahr abzustumpfen und unsere innere Mitte zu verlieren. Der indianische Medizinmann und christliche Katechet Nicholas Black Elk spricht in seinen spirituellen Reden von dem großen Geheimnis. Es wohnt in jeder Menschenseele. Wenn wir dieser Mitte erst in uns selbst und schließlich in allen und allem gewahr werden, kann uns das schützen. Dann suchen und finden wir im Anderen den Bruder und die Schwester.
Heinz Weigand
Pastoralreferent, Klinikseelsorger am Bezirkskrankenhaus Lohr