Nicht nur in den Kirchen stehen inmitten der Fastenzeit die Zeichen auf Verzicht. Auch politisch wird heftig diskutiert, worauf zu verzichten ist, wie etwa die Entscheidungen um künftige Zulassungsverbote für Diesel- und Benzinautos deutlich machen. Verzicht wird völlig unfreiwillig in Stein – Pardon – in Gesetz gemeißelt.
Unstrittig ist, dass sich unser Lebensstil nicht nur kritische Fragen gefallen lassen muss, sondern sich tatsächlich ändern muss. Klimawandel oder weltweite Ungerechtigkeit im Großen und Überforderung und Unzufriedenheit im Persönlichen sprechen für sich.
Dass es anders geht, zeigen viele Trends in unserer Gesellschaft. Einer davon ist der Minimalismus. Unter dem Begriff tummeln sich unterschiedlichste Vorstellungen und Konzepte. Allen gemein scheint mir zu sein, dass dem modernen Menschen eine Alternative geboten wird. Das Schöne dabei ist, Verzicht geht so ganz ohne Zeigefinger. Verzicht hat einen Mehrwert: selbstbestimmtes Leben jenseits unreflektierten Konsums. Das Motto Konsumierst du nicht, so bist du nicht! wird über Bord geworfen. Minimalismus bedeutet demnach die Beschränkung auf das Nötigste. Aber: Verzicht wird hier nicht zum Negativen, sondern lebensdienlich. Vielmehr wird Verzicht zur Frage des (guten) Stils: Einfach leben als Lebensstil ist nicht ausschließlich die Beschränkung auf ein Minimum, sondern der Fokus auf das Wesentliche.
Im Zentrum steht die Frage, was wesentlich für mein Leben ist. Wer so fragt, lernt Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Die gewonnene Klarheit eröffnet unterschiedlichste Räume: Für mich. Für meine Familie. Für meine Freunde. Aber auch für Träume und Ziele. Einfach zu leben, gibt dem Herzen eine Weite und zwar genau dort, wo zuvor Krimskrams war.
Mich macht es achtsamer, wenn ich mit dem Fahrrad zur Arbeit fahre anstelle des Autos. Ich kann Vogelgezwitscher oder das Rauschen des Bachs wahrnehmen. Es entschleunigt. Mindert Stress.
Mein Minimalismus-Experiment habe ich während der Coronapandemie begonnen. Ein Tipp war damals, sich von Dingen zu trennen, die weder schön noch nützlich sind. Freiraum schaffen war die Devise. Und die Erkenntnis: Freiwilliger Verzicht engt nicht ein. Verzicht schafft Weite und Klarheit: Welchen Wert hat der Gegenstand für mich?
Und nebenbei hat mir diese Klarheit einen neuen Zugang zu Jesus von Nazareth eröffnet. Ich glaube er war jemand, der diese Klarheit hatte, welchen Wert einzelne Dinge haben. Wenn er in seiner Bergpredigt sagt: „Sammelt euch nicht Schätze hier auf der Erde, wo Motte und Wurm sie zerstören und wo Diebe einbrechen und sie stehlen, sondern sammelt euch Schätze im Himmel, wo weder Motte noch Wurm sie zerstören und keine Diebe einbrechen und sie stehlen! Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.“ (Einheitsübersetzung, Matthäus 6,19-21) Ich will Jesus von Nazareth nicht auf einen antiken Minimalisten reduzieren. Ich will ein einfaches Leben als eine Facette christlicher Nachfolge deuten. Gerade weil sich sein Leben zu einem Großteil in Nazareth abspielte. Und das: ganz einfach. Damals war das ein attraktiver Lebensstil. Und heute? Probieren wir´s einfach!
Tobias Henrich
Pastoralreferent, Lohr a. Main