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Wort zum Wochenende

Farbig beten

Liebe Leserinnen und Leser, sagt Ihnen der Name Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis etwas? Er hat ein wunderschönes Herbstlied geschrieben, das wir wohl alle besser kennen als den Namen seines Schweizer Dichters:

„Bunt sind schon die Wälder, gelb die Stoppelfelder, und der Herbst beginnt. Rote Blätter fallen, graue Nebel wallen, kühler weht der Wind. Wie die volle Traube, aus dem Rebenlaube, purpurfarbig strahlt. Am Geländer reifen, Pfirsiche mit Streifen, rot und weiß bemalt. …Geige tönt und Flöte, bei der Abendröte, und im Mondenglanz. Junge Winzerinnen winken und beginnen frohen Erntetanz.“ Da zieht beim Singen oder Hören die Herbstlandschaft richtig an einem vorbei, bis man schließlich am Ende auf einem Erntefest im Stil des neunzehnten Jahrhunderts landet.

Zum diesjährigen Erntedankfest am 2. Oktober waren die Bäume noch voller Blätter und Temperaturen wie im Hochsommer. Gott sei Dank hatten wir ja im Juli und August viele Regentage, so dass auch der Rasen im Garten saftig grün ist. Doch inzwischen kriecht in Lohr – wie im Liede geschildert - seit einigen Wochen der Nebel die Hänge hinauf und die Blätter an den Bäumen verfärben sich. Es wird abends merklich früher dunkel. Ich freue mich auf eine Taizé-Andacht in unserem Gemeindehaus: Lieder und Lichtermeer erhellen mich und vertreiben dunkle Gedanken, die sich angesichts immer neuer Kriege und Krisen nicht vermeiden lassen.

Passend dazu ist am 22. Oktober der Welttag des Stotterns: Es fehlen einem allmählich die Worte, um die umfassenden Probleme, die uns national und international belasten, noch präzise genug beschreiben und angemessen lösen zu können. Und ohnehin bin ich ein Mensch, der lieber schweigend verarbeitet, was ich erlebt habe. Allerdings muss ich auch schon vormittags in der Schule viel reden, wenn ich im überwiegend grauen Klassenzimmer stehe. Da tut es meinen SchülerInnen und mir gut, zu Beginn des Religionsunterrichtes ein Gebet zu sprechen, das uns von den herrlichen Farben der Schöpfung, mit denen Gott uns umgibt, zu den Früchten des heiligen Geistes führt, die in unserem Leben auch reifen und wachsen sollen, trotz aller oder gerade auch in allen herausfordernden Lebensumständen.

Ein paar Bitten daraus möchte ich Ihnen hier weitergeben:

„Herr, ich bitte dich um Lebensfarben in mir:

Gib mir viel vom Gelb des Lichtes für die Dunkelheiten in meiner Seele.

Gib mir vom Grün der Hoffnung gegen Resignation und Ausweglosigkeit.

Gib mir vom Rot der Liebe, um sie verschenken zu können…

Herr, gib mir ein wenig von allen Farben, denn buntes Leben lebt sich leichter. Amen.“ (Nach unbekannter Quelle).

Vielleicht spricht die ein oder andere Bitte auch Sie an und hilft Ihnen, zu innerer Ruhe zu finden und die nun immer dunkler werdenden Tage durchzustehen, bis uns die Adventsbeleuchtung in unseren Orten oder in der eigenen Wohnung oder im Garten wieder ihren Bann zieht.

Christina Roth
Oberstudienrätin und Evang. Schulseelsorgerin am Gymnasium Lohr