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Wort zum Wochenende

Feindesliebe

Neulich, als der Pfarrer in der Kirche von der Feindesliebe gepredigt hat, da waren in der Ukraine noch keine Bomben gefallen; da war die Welt noch in Ordnung gewesen. Heute würde er vielleicht schon ganz anders reden und wir würden ganz anders zuhören. Die äußeren Umstände beeinflussen immer schnell und stark unser gesamtes Wahrnehmen, Nachdenken, Reden und Tun. „Hatte das Opfer Feinde?“ - so fragt der Kommissar mindestens einmal in jedem Krimi. Meistens würden wir diese Frage zunächst einmal verneinen. Als Freunde würden wir aber auch nicht jeden bezeichnen. Das Freund-Feind-Schema sieht die Welt ja nur in schwarz und weiß und teilt sie in rechts und links, in gut und böse, in richtig und falsch. Das klingt immer plausibel und verlockend, und es ist die einfachste Möglichkeit, den Kompliziertheiten des Lebens zu begegnen. Gerade in Krisenzeiten greifen wir gerne auf dieses Schema zurück und entdecken damit plötzlich scheinbar einfache Lösungen auf schwierige Fragen. Wenn man will, findet man dieses Denkmuster gerade auch in den Geschichten der Bibel. Besonders die Psalmen bitten immer wieder um Gottes Hilfe im Kampf gegen die Feinde. Als ich mich daran immer stärker zu reiben begann, ist mir plötzlich bewusst geworden, dass damit vielleicht gar nicht in erster Linie äußere Feinde gemeint sind. Genaugenommen trage ich die meisten meiner Feinde in mir drinnen. Dort findet die tägliche Suche um das Gleichgewicht der Kräfte statt, dort fühle ich mich hin und hergerissen. Dort begegne ich dem, was die Psychologie als „Schatten“ beschreibt, meiner dunklen Seite, die ich nicht abschütteln kann. Erst wenn ich beginne, diesen Umstand zu akzeptieren und anzunehmen, wird dieser innere Kampf keine Opfer mehr fordern. Und auf einmal werden zwischen schwarz und weiß die Grautöne sichtbar und vielleicht sogar einzelne Farben. In mir werde ich wachsenden Frieden spüren und er wird sich auch auf meine Umwelt ausbreiten, ja, er kann ansteckender wirken als jede Virusvariante. Die Suche nach den Farben und ihren Schattierungen lässt unsere Welt zweifellos komplizierter werden. Die Akzeptanz der vollen Wirklichkeit, auch der unangenehmen und verdrängten, kostet immer Zeit und Mühe. Aber diese Liebesmühe wird nicht vergeblich sein, weder bei mir selbst noch bei den anderen. Und wenn genügend von uns damit beginnen, wird es sogar bis Kiew oder Moskau reichen. Es funktioniert nämlich auch in dieser Richtung, dass unser Wahrnehmen, Vordenken, Reden und Tun die äußeren Umstände durchaus beeinflussen kann.

Thomas Wollbeck
Pfarrvikar im Pastoralen Raum Karlstadt