Es ist mir nicht erst in den Wochen vor der Bundestagswahl aufgefallen, aber in dieser Zeit wieder besonders. Politiker aller Parteien nahmen wieder einmal große Worte in den Mund: Klimawandel, Schicksalswahl, Veränderung, Neuanfang, Aufbruch, entschieden, ... Eindrucksvoll. Aber je öfter ich solche Worte hörte, drängte sich mir die Frage auf, was ihre Aussprecher*innen eigentlich damit meinen. Konkreter wurden sie selten bis nie. Wäre für sie vielleicht auch richtig schwierig geworden.
Stellen Sie sich einmal vor, Sie bekommen etwas geschenkt, was wirklich schön verpackt ist. Sie sind beeindruckt und schon sehr gespannt, was sich in der Verpackung verbirgt. Sie verspricht einiges und lässt sie neugierig werden. Und dann machen Sie sie auf und … Leer. Oder es etwas ganz anderes drin als gedacht. … Mogelpackung?
Dieses Bild kommt mir in letzter Zeit öfter in den Sinn, wenn ich Politiker oder Kirchenleute höre. Wie selbstverständlich verwenden Sie Worte, die mir bei näherem Hinhören immer frag-würdiger erscheinen. Das heißt: des Nachfragens würdig! Was meint der- oder diejenige denn genauer damit? Werden starke Worte nicht mit konkretem Inhalt gefüllt, werden sie unweigerlich zu Worthülsen. Mir scheint, wir leben in einer Zeit einer zunehmenden Zahl an Worthülsen. Gottseidank nicht nur, aber auch.
Worte können vordergründig faszinieren und sie können den Hörer/die Hörerin blenden. Werden sie nicht auf ihren Inhalt hinterfragt, bleiben sie oberflächlich bis nichtsagend. Vielleicht ist das ja sogar im Sinne ihres Benutzers. Worte besitzen und entfalten im Normalfall ihre ganz eigene Kraft oder bleiben eben auch schal und leer – so schön sie denn auch klingen mögen. Dann können Worte zu Worthülsen verkommen. Ich mag keine leeren „Worthülsen“, auch weil sich so mancher dahinter gerne versteckt, ohne konkret werden zu müssen. Worthülsen zu verwenden ist einfach.
Dieser Tage war zum Beispiel in einem Zitat von Kardinal Müller zum Synodalen Prozess von der „Wahrheit des Evangeliums“ zu lesen. Was meint er denn damit genauer? Oder soll ihm das gewichtige Wort nur Respekt verschaffen und Eindruck machen? Auch die Kirche steht in der Gefahr, ihre großen Worte zu Worthülsen verkommen zu lassen, wenn sie sie nicht verständlich füllt. Zum Beispiel, wenn sie von „Nachfolge“, von „Gottes Wille“ oder anderem redet. Auch in der Sprache unserer Gottesdienste stoßen wir auf Worte, deren Füllung nicht so eindeutig klar ist. Worthülsen also?
Es ist an der Zeit, wieder achtsamer und ehrlicher mit unseren Worten umzugehen. Mit denen, die wir selber verwenden und mit denen, die wie hören. Deshalb frage ich mein Gegenüber schon mal nach, was er/sie denn genauer damit meint? Setzen wir den sich ausbreitenden Worthülsen doch einfach unsere gesunde Neugier entgegen, fragen nach und hinterfragen. Im Alltag, ‚in der Politik‘ und in der Kirche! …
Reinhold Grimm
Pastoralrefrent, Marktheidenfeld