Ich schäme mich für Christinnen und Christen, welche die Gesundheit ihrer Mitmenschen bewusst gefährden, indem sie ohne Einhaltung der Hygienevorschriften an Querdenker-Demos teilnehmen. Ich schäme mich und betone: „Das ist nicht mein Jesus!“ Denn Jesus ist gekommen, um die Mächte von Krankheit, Sünde und Tod zu überwinden. Er ist gekommen, um zu heilen, nicht um andere zu gefährden und zu infizieren.
Ich schäme mich für Christinnen und Christen, die ihre ganze Energie darauf verwenden, im Internet ihre angeblichen geistlichen Erkenntnisse zu veröffentlichen: „Das Virus“, so schreiben oder sagen sie, „sei eine Strafe Gottes für die Ungläubigen und ein Zeichen der Endzeit. Als Christ aber habe man nichts zu befürchten. Darum solle man das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes wenn möglich verweigern.“ Ich schäme mich und betone: „Das ist nicht mein Jesus!“ Denn der Sohn Gottes hat uns nicht ein Leben voller Verlautbarungen vorgelebt, sondern ein Leben der Hingabe. Und wer diesem Herrn nachfolgt, der sollte es genau so tun: sich also ehrenamtlich engagieren und Taten sprechen lassen. Für krude Theorien auf Youtube bleibt dann hoffentlich keine Energie mehr übrig.
Ich schäme mich für Christinnen und Christen die behaupten, Gesundheit und Erfolg seien sichtbare Zeichen von Gottes Segen. Wer also krank werde oder erfolglos bliebe, der habe zu wenig Glauben gehabt und sei insofern selber Schuld an seinem Elend. Ich schäme mich zutiefst und betone: „Das ist nicht mein Jesus!“ Denn Jesus hat uns nicht den Weg des Nehmens vorgelebt, sondern des Gebens. Und denen, die ihm nachfolgen, hat er eben nicht ein Leben voller Sonnenschein versprochen, sondern stattdessen zugesagt, sie festzuhalten und an sein wunderbares Ziel zu führen – und zwar durch alles Leid und auch durch den Tod hindurch.
Diese Aufzählung sollte genügen, um zu zeigen: Nicht überall, wo Jesus drauf steht, steckt auch der Geist von Jesus drin!
Wer mich kennt und meine Bücher gelesen hat, der weiß: Ich bin nun wahrlich ein Mensch mit einigen Schwächen und Fehlern. Aber wenigstens tue ich nicht so, als stünde ich über den Dingen und hätte auf alles eine Antwort.
Was ich mir in dieser schweren Zeit besonders wünsche sind Jesus-Leute, die sich für ihre Mitmenschen tatkräftig einsetzen und ihnen Trost und Hoffnung schenken. Ich wünsche mir Jesus-Nachfolger, die für die Regierenden beten, anstatt von einer Diktatur zu faseln.
Jesus hat einmal gesagt: „Einen guten Baum erkennt man an seinen Früchten.“ In diesem Sinne gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass es eben auch Christinnen und Christen sind, die während der Pandemie an ihren guten Werken zu erkennen sind – und nicht an ihrem verantwortungslosen Handeln und ihren wirren Theorien.
Mit jenen aber, die im Namen von Jesus achtlos, lieblos und verantwortungslos durch die Gegend pöbeln, möchte ich bitte nicht in einen Topf geworfen werden: „Das ist nicht mein Jesus!“
Volker Halfmann
Pastor der Freien evangelischen Gemeinde Karlstadt