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Wort zum Wochenende

Tochter Zion, freue dich

Jetzt beginnt sie wieder: die Adventszeit. Ich freue mich darauf. In einer unsicheren Zeit geben die Bräuche dieser geprägten Zeit einen gewissen Halt. Dass die (vor)weihnachtlichen Traditionen noch sehr breit in unserer Gesellschaft verankert sind, verstärkt dieses wichtige, wohltuende Gefühl von Halt und Geborgenheit. Über Gefühle hinausgehend sprechen die zu diesen Traditionen gehörenden christlichen Texte unsere Sehnsucht nach Frieden, Versöhnung und Heilung an.

Eines der bekanntesten Adventslieder ist „Tochter Zion, freue dich“. Es wurde vor 200 Jahren von Heinrich Ranke (1798-1876) gedichtet. Ranke war evangelischer Pfarrer in Franken, später Theologie-Professor in Erlangen. Er ist der jüngere Bruder des berühmten Leopold von Ranke, der 1865 aufgrund seiner Verdienste für die modernen Geschichtsschreibung geadelt wurde. Auch Rankes Zeit war eine unsichere Zeit: Die Napoleonischen Kriege waren gerade vorüber; liberale und nationalistische Bewegungen im Deutschen Bund wurden zurückgedrängt. Da dichtet Heinrich Ranke auf die 80 Jahre ältere populäre Melodie von Georg Friedrich Händel ein neues Lied: „Tochter Zion, freue dich! Jauchze laut, Jerusalem! Sieh, dein König kommt zu dir. Ja, er kommt, der Friede-Fürst.“ Schnell wird es verbreitet und zur „Grundzutat“ der bürgerlichen deutschen Weihnacht. Später hat Thomas Mann in seinem Roman „Die Buddenbrooks“ dem Lied ein literarisches Denkmal gesetzt.

Inmitten des Durcheinanders in der Welt und inmitten von so viel Kämpfen und Leid verkündigt dieses Lied mit seiner strahlenden Melodie die frohe Botschaft vom kommenden Messias-König Jesus Christus. Vorfreude auf den Friedefürsten darf uns erfüllen. Den Nationalsozialisten passte das Lied mit den Bezügen auf Israel (Zion und Jerusalem) nicht mehr. Es wurde verboten. In dem NS-Buch „Lichtfeier. Sinn, Geschichte, Brauch und Feier der deutschen Weihnacht“ hieß es 1939: „Auf Lieder wie ›Tochter Zion, freue dich ...‹  ... könnten wir Deutsche wohl verzichten, aber nicht auf unseren Weihnachtsbaum. Er gehört keiner Kirche und keiner Konfession. … Ein Lied, das in der Weihnachtszeit erklingen kann, hat mit christlichen Gottesvorstellungen nichts zu tun, sondern ist Ausdruck unseres arteigenen Gotterlebens.“ Auch in den staatlichen Kindergärten der DDR war es verboten, im Advent christliche Lieder zu singen.

Und heute? Lassen wir die christliche Botschaft mit ihren wunderbaren Advents- und Weihnachtsbräuchen im Fortgang der allgemeinen Verweltlichung und der Inflation christlicher Überlieferungen freiwillig dahinfahren? Wie viel ärmer werden wir an Hoffnung und Sinn sein! Die Welt steht zwischen dem ersten und dem zweiten Advent, zwischen der Geburt Jesu vor rund 2000 Jahren in Niedrigkeit und seinem Wiederkommen in Herrlichkeit. Seit 2000 Jahren wird das Licht des Glaubens in vielen Menschen entzündet – da wo man sich öffnet. Machtbeweise gibt es nicht. Das Friedensreich Gottes beginnt in unseren Herzen – freiwillig und klein. Soweit wir verändert werden, können wir zu Friedensstiftern werden. Öffnen wir uns doch der Botschaft Jesu und stimmen mit ein die Adventslieder.

Till Roth
Evangelischer Dekan in Lohr a.Main