Frische Luft bei klirrender Kälte tut gut. Mit tiefen Zügen sog ich sie ein letzthin bei einem Spaziergang in kristallklarer Nacht. Am Himmel gaben Wolken gerade den Halbmond frei. „Wie schön ist das denn, wie hell und klar, wie wirklich und wahr“, dachte ich.
Vorher hatte ich die Berichterstattung über Präsident Trump im Fernsehen verfolgt: Da wird Amerika also nun von einem Menschen regiert, der sich selbst als den von Gott gesandten Retter versteht. Da geriert sich ein gewählter Staatsmann wie ein mittelalterlicher Berserker. Da jongliert gleichsam ein Gaukler mit drei Feuer-Fackeln: Wahrheit, Fake-News und Allmachts-Phantasien. Er behauptet, keine Fehler zu machen und die Bösen - das sind die Anderen… - Kann das gut gehen?
Haben Sie, liebe Leserin, lieber Leser schon mit Menschen zusammen leben oder arbeiten müssen, die keine Fehler machen? – Schrecklich! Da wird so lange herumgeredet und der Spieß gedreht, bis keiner mehr Wahrheit und Lüge auseinanderhalten kann. Die Sinne werden vernebelt. Mit solchen Leuten möchte man nicht zusammen sein. Demgegenüber schätze ich Menschen, die gradestehen, wenn etwas schief gelaufen ist. Ich schätze Menschen, die eigene Fehler zugeben. Ich schätze Menschen, die klar sagen: „Ich bitte um Entschuldigung, es tut mir leid, ich habe Mist gebaut.“
Nehmen wir zum Beispiel die ehemalige Bischöfin und Ratsvorsitzende der EKD Margot Käßmann. Nach ihrer Trunkenheitsfahrt 2010 übernahm sie die volle Verantwortung und trat sofort von ihren Ämtern zurück. Zur Klarheit half ihre Offenheit. So kam sie zurück in die Öffentlichkeit, wurde Botschafterin des Reformationsjubiläums 2017. Heute ist sie als Theologin und Ratgeberin unermüdlich unterwegs, gefragt als Autorin und Gesprächspartnerin in vielen Formaten… - Übrigens wird sie am kommenden Sonntag, 2. Febr. 2025 bei uns in der Michaelskirche in Michelrieth im Gottesdienst um 10:00 Uhr die Predigt halten. Dazu lade ich in ökumenischer Weite alle Interessierten herzlich ein!
Zurück zur Weite des winterlichen Abendhimmels: Mir kommt das berühmte Lied von Matthias Claudius in den Sinn: „Der Mond ist aufgegangen“. - Und wenn grad Halbmond ist? Ich überlege: Wie wäre es, wenn wir erkennen würden: Jeder Mensch hat zwei Seiten, eine im Licht und eine im Schatten. Wie wäre es, wenn wir das zugestehen könnten uns selbst und auch unseren Mitmenschen? Wir wären barmherziger mit uns und mit den anderen. Wie wäre es, wenn wir die Menschen eben nicht einteilen würden in Lichtgestalten und Dunkelmänner, sondern beide Anteile in einem versöhnen? Die Welt wäre friedlicher. Beim Mond leuchtet grad die Seite, die von der Sonne beschienen wird. Na klar, im 3. Vers heißt es ja: „Seht Ihr den Mond dort stehen, er ist nur halb zu sehen und ist doch rund und schön". – Gilt das auch für uns Menschen? - In Gottes Augen allemal.
Bernd Töpfer
Evang. Pfarrer in Michelrieth