Eine Gruppe von Bergsteigern ist unterwegs zum Gipfel. Die Gruppe hat sich auseinandergezogen, vorne wandern die Schnellen, hinten suchen die Langsameren ihren Rhythmus. Plötzlich zieht eine Nebelwand auf. Schnell verschlechtert sich die Sicht. Man kann kaum noch etwas erkennen. Die Bergführerin an der Spitze bleibt stehen. Besorgt blickt sie zurück. „Wir müssen zusammenbleiben!“ ruft sie. Dann wartet sie, bis auch die letzten der Gruppe aufgeschlossen haben. Gemeinsam und behutsam setzen die Wanderer ihren Weg fort.
Ich weiß nicht, ob Sie so eine Nebelerfahrung im Gebirge schon erlebt haben. Im übertragenen Sinn aber kennen wahrscheinlich die meisten von uns solche Situationen. Stunden, in denen uns der Blick in die Zukunft wie von Nebel verhangen scheint.
Das kann sein, wenn man eine wichtige Entscheidung für sein Leben treffen muss und man einfach nicht erkennen kann, welche die richtige ist.
Oder wenn man selbst oder jemand aus der Familie sehr krank wird und es unklar ist, ob es eine Chance auf Heilung gibt.
Schließlich haben manche auch im Blick auf das neue Jahr das Gefühl, im undurchdringlichen Nebel zu stehen: „Was wird passieren, wenn alles noch teurer wird?“ fragen sie sich. Oder „werde ich meine Arbeitsstelle verlieren?“ Oder „wie lange kann ich noch selbstständig in meiner Wohnung bleiben?“
In solchen Momenten, in denen einem die Sicht und mit ihr oft auch die Zuversicht fehlt, tut es gut, Menschen um sich zu haben, die einem zur Seite stehen: Angehörige und Freunde, die Mut machen, einen Rat geben oder uns in den Arm nehmen und die Ungewissheit mit uns aushalten.
Was ist aber, wenn man alleine ist, oder eine Situation erlebt, in der einem keiner beistehen kann?
In solchen Stunden mag uns der Glaube an Jesus Christus eine echte Hilfe sein. So haben schon viele Menschen berichtet, wie sie das Vertrauen, dass Jesus bei ihnen ist, ruhiger werden ließ und sie sich geborgen fühlten – wenn auch nur für einen Moment.
Einer, der diese Erfahrung gemacht hat, ist der Beter des 23. Psalms. Er bekennt rückblickend: Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir, dein Stecken und Stab trösten mich. Ich bete diese Worte gerne in meinen Nebelzeiten. Sie schenken mir Mut und neue Hoffnung, wenn mir der Durchblick fehlt und ich nicht weiß, wie es für mich weitergeht. Weil Jesus, der gute Hirte, an meiner Seite ist, kann mich keine noch so aussichtslose Lage vollkommen verunsichern. In seiner Nähe fühle ich mich sicher.
Inzwischen haben die Bergsteiger den Gipfel erreicht. Sie haben den Nebel durchdrungen. Sie freuen sich an der Aussicht.
Dass auch Sie immer wieder gut durch die Nebelzeiten in Ihrem Leben kommen und eine klare Sicht gewinnen, wünsche ich Ihnen. Und dazu das nötige Gottvertrauen!
Michael Kelinske
Evangelischer Pfarrer in Lohr am Main